Soup Joumou wird Kulturerbe: Ein Zeichen der Hoffnung

2021-12-27 19:10:04 By : Ms. Joanna DENG

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Straßenverkäuferinnen in Port-au-Prince bereiten die Zutaten für eine Suppe vor. (Archivbild) Bild: AP

Sklaven mussten den Eintopf einst für ihre Unterdrücker kochen – und eroberten sie sich am Tag der Unabhängigkeit Haitis zurück . Nun ist die Soup Joumou von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden.

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W ahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das Fundamentalste der menschlichen Existenz – die Nahrung – wieder auf großer Bühne politisiert wird. Nicht, dass Essen nicht immer schon politisch war. Vom Zugang zu Zutaten, über die Zubereitung und bis hin zur Entscheidung, wer am Ende was essen darf, war stets ein Instrument von Unterdrückung und Befreiung. Salz etwa, das nicht nur Zutat von Märchen war, sondern auch das wohl größte Politikum der kulinarischen Geschichte, unterlag dem längsten wirtschaftsgeschichtlichen Monopol überhaupt: Mehr als 2000 Jahre lang kontrollierte in China der Staat den Preis für das „gelbe Gold“. In Indien war es Gandhis Salzmarsch, der zu einem prägenden Ereignis auf dem Weg zur Unabhängigkeit wurde. 1930 zog er mit seinen Anhängern fast 400 Kilometer weit bis zum Meer, wo er ein paar Salzkörner gewann – ein Privileg, das eigentlich der britischen Kolonialmacht vorbehalten war.

„Hunger ist einer der Instrumente der Unterdrückung“, schrieb die Zeitung der sozialistischen, afroamerikanischen Black Panther-Bewegung 1969, und so begannen die Aktivisten schwarzen Schulkindern unentgeltlich Frühstück zu geben, was seinerzeit für viel Aufruhr beim FBI sorgte und trotzdem von der US-Regierung bis heute übernommen wurde; lange vor der bürgerrechtlichen Gleichstellung in den USA gab es Coca Cola für alle.

Während steigende Lebensmittelpreise Anfang des Jahrtausends zu Unruhen in vielen Ländern des sogenannten globalen Süden zu Unruhen führten, ist Essen in Wohlstandsgesellschaften immer mehr zu einem Status-Symbol geworden, bei dem der Avocado-Toast und das Superfood-Müsli mit Hafermilch auf Instagram zelebriert werden. Dass Essen eine ganz andere Geschichte hat, daran erinnerte aktuell die UNESCO wieder, als sie das haitianische Nationalgericht, die Soup Joumou zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt hat.

„Das ist nicht nur ein Zeichen der Hoffnung und Ermutigung, sondern auch ein Aufruf zur Einigkeit für das haitianische Volk, das gerade einen besonders schweren Moment in seiner reichen Geschichte durchmacht“, ließen die haitianischen UNESCO-Delegierten verlauten. Das von Armut gebeutelte Land hat in diesem Jahr die Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse und ein schweres Erdbeben erleiden müssen.

Vielleicht ist die Soup Joumou, ein Eintopf mit Kürbis, in haitianischer Epis-Sauce mariniertem Fleisch und Gemüse, das je nach Familienrezept variieren kann, eine Erinnerung an die haitische Resilienz. Der Eintopf war unter dem Kolonialregime nur den französischen Kolonisatoren vorbehalten. Den überwiegend aus Westafrika stammenden Sklaven, die den Kürbis anbauen und die Suppe kochen mussten, war es verboten, das Gericht auch nur zu kosten.

Als Haiti am Neujahrstag 1804 zur ersten unabhängigen Republik in der Karibik wurde, wurde das gefeiert, indem die einstigen Sklaven die Suppe Joumou aßen und sich das einstige Unterdrückungssymbol im wahrsten Sinne des Wortes einverleibten. Lange vor dem Schlachtruf „Eat the Rich“ linksprogessiver Fraktionen haben die Haitianer zumindest „Eat the Rich's Foods“ praktiziert.

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Soup Joumou wird Kulturerbe: Eine Suppe als Zeichen der Hoffnung

Eine Suppe als Zeichen der Hoffnung

Sklaven mussten den Eintopf einst für ihre Unterdrücker kochen – und eroberten sie sich am Tag der Unabhängigkeit Haitis zurück . Nun ist die Soup Joumou von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden.

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