Bibimbap? Die Küche Koreas hat mehr zu bieten. Das Nanum in Kreuzberg etwa

2022-08-21 07:17:12 By : Mr. Anthony Li

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In Korea gibt es kulinarisch einiges zu entdecken, das zeigt uns die 70-jährige Wirtin des Nanum gegenüber vom Jüdischen Museum. Ein echter Geheimtipp.

Nanum ohne Jinok Kim-Eicken ist nicht denkbar. Im großen Schwarzen samt skulpturaler Halskette schreitet die Patronin zwischen ihren Gästen umher. Hast du so was schon mal gegessen? Passt es mit der Schärfe? Nicht nur ist die 70-jährige Betreiberin (70 Jahre, echt? Jungbrunnen Kimchi!)  und Inhaberin eines der interessantesten koreanischen Restaurants der Stadt, sondern zugleich eine Kulturbotschafterin, engagierter jedenfalls als die koreanische Botschaft, die sich ihr zufolge lieber um irgendwelchen K-Pop-Kram kümmert als ums Essen.

Dabei hat es die liebe Göttin wirklich gut gemeint mit der Küche von Kim-Eickens Heimatland. Viel Eingelegtes, Sauer-Scharfes, nichts, was man so schnell vergisst. Und doch kennen viele Deutsche bloß Bibimbap.

Nanum, das bedeutet aus dem Koreanischen übersetzt: teilen. Die zweite Etage des 2018 eröffneten „Galerierestaurants“ gegenüber des Jüdischen Museums ist ganz der Keramik vorbehalten. Dort entsteht das auf den quadratischen Popfarbentischen im Erdgeschoss platzierte Geschirr: erdfarben, unregelmäßig, das Gegenteil von Wohlgefallen.

Das trifft auch auf einige der darauf platzierten Gerichte zu. Allen voran die auf einer Schieferplatte servierten Fischhappen, Zangazi genannt, denen lediglich ein plattgedrückter Reisklecks und zwei Shisoblätter beigestellt sind. Da wären: eingelegte Sardellen, getrockneter Steinköhler, fermentierte Schwertmuscheln, Sardinen und Streifenbarsch. Manche haben eine Textur wie Fruchtleder („ganz oft kauen“, empfiehlt der Service), andere einen, vorsichtig formuliert, charakterstarken Geruch. Drastischer formuliert es die Patronin: „Einerseits stinkt es, andererseits schmeckt es.“

Wohl wahr: Der Geschmack dieser Tiefsee-Umami-Bomben stellt Gewohntes auf den Kopf: salzig, gärig, mit einer nie unangenehmen Schärfe. Dieser in seiner Aufmachung simple Teller erinnerte mich an Jeong Kwans Dinner bei der Eat Berlin, bei dem die aus der Netflix-Serie „Chef’s Table“ bekannte Nonne ihre koreanische Tempelküche präsentierte. Die ist komplett vegan, aber ähnlich konzentriert wie jene im Nanum, und verlangt von den Essenden ebenso die ungeteilte Aufmerksamkeit. Und das ist wirklich gut so.

Kim-Eicken lässt ihren Fisch in einem eigentlich für Fleisch vorgesehenen Dry Ager reifen, manche Stücke einige Tage, andere monatelang, ein derzeit recht angesagtes Konzept, populär geworden durch den australischen Koch Josh Niland. Wobei sie das in Korea, wie die Patronin mit in die Hüfte gestemmten Hände erklärt, natürlich immer schon so gemacht haben. Gleiches gilt für die kalt servierte, wunderbar leichte Buchweizennudelsuppe, die nur so lange an japanische Soba-Nudeln erinnert, bis Kim-Eicken ihren Unmut darüber äußert, dass vieles, was wir für japanisch halten – Wasabi, Thunfischflocken, Misopaste, Sojasauce –, genauso sehr in der koreanischen Kultur verankert sei.

Die Proteingrundlage des mit 80 Euro für sieben Gänge fair bepreisten Fischmenüs – für 35 Euro gibt es eine Naturweinbegleitung dazu – stammt vom Brandenburger Vorzeigebetrieb 25 Teiche und dem nachhaltigen Hamburger Lieferanten Frisch gefischt. Von den anderen Zutaten kommt ein Teil aus Kim-Eickens Sacrower Garten, die Kirschen im zu Beginn servierten Seetangsalat beispielsweise, der durch Sesamöl und einen selbstgemachten Essig (als Basis dient selbstgemachtes Reisbier) Form annimmt.

Der Hauptgang ist ein groß portioniertes Stück Makrele, deren fettes Fleisch wunderbar mit den beigestellten Granatapfelkernen harmoniert. Dazu gibt es Kimchi. Ein klassisches Dessert würde man anschließend nun wirklich nicht erwarten, umso erstaunlicher, dass Vanilleeis mit Beerensauce vor einem steht, dem allerdings, und das macht seinen Reiz aus, ein Bällchen Adzukibohnenpaste beigestellt ist, eher herb als süß und von sandkuchenartiger Konsistenz. Auf dem zweiten Teller liegt eine Kugel Doenjang-Eis, eine Sojabohnenpaste, die Basis der koreanischen Küche ist, mit karamellisierter Sojasauce, ebenfalls eine reizvolle Kombination.

Es ist schon nach Mitternacht, als wir das Restaurant verlassen, was nicht nur an den ausufernden Ausführungen der Gastgeberin liegt, sondern hauptsächlich daran, wie sehr uns das Essen in Beschlag genommen hat. Ein Fischfreitag im Nanum ist ein wortwörtliches Eintauchen in die Geschmacksflut Südkoreas, das alle Sinne fordert: Riechen, Sehen, Schmecken, Fühlen (die zu Beginn servierten Fischcracker werden mit den Händen gegessen), und nicht zuletzt das Hören. Nämlich wenn die 1978 nach Berlin immigrierte Betreiberin mit großem Eifer die Komplexität ihrer Landesküche erklärt. Oder wenn sie, was an manchen Abenden passieren kann, am mitten im Raum aufgestellten Klavier Platz nimmt – sie ist nämlich ausgebildete Sängerin.

Nanum, Lindenstraße 90, 10969 Berlin, Mittwoch und Donnerstags 12 bis 14.30 Uhr, abends Donnerstag bis Samstag 18 bis 23 Uhr.

Hinweis: Haben Sie Fragen, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann Schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per Email: briefe@berliner-zeitung.de

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